Wie Demon's Souls ein neues Genre schuf

Heutzutage ist man schnell dabei, ein forderndes Spiel als "Dark Souls" des jeweiligen Genres zu bezeichnen. Dark Souls war allerdings nicht der Startpunkt. Sondern diese Ehre gilt seinem spirituellen Vorgänger Demon's Souls. Es führte Mechaniken ein, die heute Dark Souls zugesprochen werden. Mit Demon's Souls begann ein großer Sprung in der Videospielentwicklung und viele Entwickler modellieren selbst zehn Jahre nach seinem Erscheinen einige Spiele nach seinem Muster. Nur um nochmal dieses einzigartige Erlebnis zu wiederholen, das Demon's Souls vor zehn Jahren bot. Es hat die Videospielbranche so sehr beeinflusst wie Blade Runner die Filmindustrie.

From Software war lange Zeit eine Videospielfirma, die im Westen kaum bekannt war. Nur selten kam eines ihrer Spiele in den Westen, lediglich Armored Core hatte hier zumindest einige wenige Fans. Außerdem erschufen sie King's Field, eine Reihe von Mittelalterrollenspielen in der ersten Person (d.h. Der Spieler schaut durch die Augen seiner Spielfgur). Damals, 1994, waren sie ein Meilenstein in der Entwicklung der Rollenspiele, im Westen erkannte das aber kaum jemand. Die großflächigen 3D-Welten bildeten ein sagenhaftes Abenteuer, doch erst Jahre später, nach anderen Spielen wie die The Elder Scrolls-Reihe erschien eine englische Version. Mit der sprunghaften Entwicklung der Videospiele in den 90ern veraltete King's Field augenblicklich und geriet in Vergessenheit, insbesondere weil die Nachfolger in den Bewertungen immer schlechter abschnitten.

Der Sumpf
Hidetaka Miyazaki war ein junger japanischer Entwickler, der seine Jugend in halber Armut und mit dem Lesen von Märchen in englischer Sprache verbrachte, die er nicht ganz verstand. Er entwickelte eine Vorliebe für Geheimnisse und Spiele wie The Legend of Zelda und Dragon Quest. Er kam zu From Software und beeindruckte dort die Chefs schnell mit seiner Arbeit. Doch seine Kenntnisse wollte man testen und man gab ihm die Leitung über das Problemprojekt im Unternehmen. Ein Team von From Software arbeitete gerade an einem spirituellen Nachfolger von King's Field, doch die Entwicklung lief unfassbar schlecht und das Team war ausgelaugt. Keiner hatte mehr Hoffnung, dass dieser Prototyp noch ein halbwegs erfolgreiches Spiel werden könnte. Doch Miyazaki erkannte hier die große Chance: Wenn schon alle glaubten, dass es sowieso ein Wrack würde, konnte er damit machen, was er wollte. Miyazaki zog die Zügel an und entwickelte Demon's Souls. Es war ein Spiel, wie es kein anderes mehr in den 2000ern gab. Es entstand ein Spiel, in dem Menschen ihre Seelen verlieren und einer dieser leeren Menschen versucht, den Aufstieg eines uralten Dämons zu verhindern.

Die Welt außerhalb des Sumpfes
2009 erschien Demon's Souls in einer Dekade der Casualisierung (d.h. Vereinfachung der Mechaniken und Simplifizierung der Spiele) der gesamten Videospielbranche. Videospiele sind heute ein Massenphänomen und ziehen mittlerweile selbst die seriöse Presse an. Mit der Wii verkaufte Nintendo mehr als 100 Millionen Exemplare, doch auf Kosten der Hardcorespieler. Diese konnten mit der unterpowerten Konsole nicht sehr viel anfangen, da sie Spiele von Drittherstellern oft nicht unterstützte. Generell war es eine Periode in der Entwickler versuchten, auch Nichtspieler zu gewinnen. Frust, ein ständiger Wegbegleiter der Zockergemeinschaft der 80er und 90er, wurde in den meisten Spielen abgebaut. Die Spiele wurden einfacher gestaltet, sodass das Publikum nicht aufgab oder nicht erst auf den Gedanken kam, das Spiel nicht zu spielen. Es war eine Zeit, in der selbst Meisterwerke wie God Hand an der niedrigen Frustrationstoleranz neuer Spieler scheiterten.

Die Auferstehung
Da die Verkäufe laut Sony in Japan unzureichend waren, sollte Atlus den Vertrieb von Demon's Souls im Westen aufnehmen. Mit schlechten Verkaufszahlen und großartigen Kritiken erschien Demon's Souls im Westen. Doch die Spieler waren überwältigt von diesem einzigartigen Spielgefühl. Wie konnte so ein Spiel existieren? Es wurde zum Hit und mit wohlwollenden Kritiken überhäuft. Aber was machte es so speziell?

Das Konzept von Demon's Souls klingt zunächst verrückt. Der Spieler wird nie an der Hand gehalten. Das Spiel verschweigt sogar seine Mechaniken und so etwas wie eine Karte gibt es auch nicht. Wenn ein Spieler nicht weiterkommt, helfen manche Spiele dem Spieler oder tun zumindest gar nichts – Demon's Souls dagegen bestraft den Spieler, sollte er schlecht spielen. Es halbiert den eigenen Lebensbalken und erhöht das Leben und den Schaden der Gegner mit jedem virtuellen Tod. Die NPCs (Nichtspielercharaktere, also z.B. Prinzessin Peach in Super Mario) im Spiel machen den Verrat zu einem Sport. Die Welt ist bespickt mit Fallen und die Gegner tragen einen solchen Hass im Herzen, dass deine Vernichtung ihr einziges Ziel ist.

Nicht nur das, die Menge an Gegnern oder ihre Größe versetzt dich immer in einen Nachteil. Jedoch macht all das den Aufstieg umso reizvoller. Gegen alle Widrigkeiten behauptet man sich und bezwingt schließlich alle Dämonen. So rettet man die Spielwelt Boletaria, deren Hoffnung zuvor an einem seidenen Faden hing.
Demon's Souls hilft dem Spieler auf seine eigene Weise. Wer hier sucht, der findet. Waffen mit immenser Stärke und der Macht, die größten Gegnerscharen niederzumähen, sind gut versteckt. Aber hält man sie erst in Händen, kann man selbst einen Drachen bezwingen. Einige Beispiele: Die Klinge Blind schlägt durch Schilde, das Blaublüterschwert kracht wie eine Panzerfaust und es gibt sogar einen Zauber, der den Tod verhindert. Was du in diesem Spiel findest, hast du auch verdient, denn du hast zuvor Gegnermassen bezwungen. Es ist wohl kaum normale Videospiellogik, dass der letzte Boss der einfachste Boss im gesamten Spiel ist. Oder dass sich einer der Endgegner selbst umbringt, weil er sich so sehr von dir bedroht fühlt und du seine rechte Hand getötet hast. Demon's Souls ist einfach einzigartig, denn es ist ganz anders.
Und dies versuchten viele Spieler mit unterschiedlichem Erfolg zu replizieren.

Umbasa
Die Spieler liebten es, sich mal wieder zu fühlen wie die Altzocker der 80er, die aus 50% Selbsthass und 50% Ehrgeiz bestanden. Demon's Souls wurde zum Hit und From Software beschloss, einen Nachfolger aufzugeben. Doof nur, dass sie nicht die Vertriebsrechte am Namen hatten. Also nannten sie es findig Dark Souls. Dark Souls wurde zum Megahit: Es machte alles besser und schuf ein beinahe einzigartiges Spielgefühl, das man sonst nur im spirituellen Vorgänger haben konnte. Plötzlich wollte jeder ein Dark Souls machen und ein neues Genre ward geboren: Das Soulslike-Genre (eigentlich bleiben es aber Action-Rollenspiele). Spiele wie Lords of the Fallen kopierten frech, Spiele wie Nioh lehnten sich an für ein eigenes großes Abenteuer. Demon's Souls und Dark Souls ebneten den Weg dafür, dass Spiele gegen die Casualisierung agierten und an Schwierigkeitsgrad wieder ahoben. Ein knackiger, aber gerechter Schwierigkeitsgrad ist heute ein wichtiger Faktor für die Bewertung, denn eine Herausforderung ist willkommen.

Demon's Souls hat insgesamt drei Nachfolger und mit Bloodborne wurde ihm ein herausragendes Spin-off beschert. From Software ist derweil zu einem wichtigen Entwickler geworden unter der Leitung von Hidetaka Miyazaki. Sekiro und das kommende Elden Ring mit einer Geschichte aus der Feder von George R. R. Martin, dem Autor von Das Lied von Eis und Feuer, verheißen eine blühende Zukunft.

Demon's Souls hat als absoluter Nischentitel die moderne Videospiellandschaft maßgeblich verändert und alles was dazu nötig war, war der Schritt in eine unerwartete Richtung.

Quellen:

Informationen

  • Text: Josef Appelhans
  • Foto: Josef Appelhans
  • Datum: 25. Januar 2020
  • Kategorie: Bildung Kultur